Die „sozialistische Frau“ war in Vollzeit werktätig, verheiratet, Mutter, Hausfrau und idealerweise noch gesellschaftlich engagiert. Die staatlich verordnete Emanzipation der DDR-Frau löste die althergebrachten Geschlechterrollen aber nicht ab, sondern ließ sie weiter fortleben. Das propagierte Leitbild weiblichen Lebens war verbindlich, denn Abweichungen ahndeten DDR-Behörden vielfach mit Ausgrenzung, Repression und Verfolgung. Die Veranstaltungsreihe richtet den Fokus auf marginalisierte Frauengruppen, die politisch, sozial, (sub-)kulturell von den sozialistischen Normen abwichen. Welche Sozialisierungen, Vorstellungen und Ideen hatten nichtkonform lebende Frauen? Wie und mit welchen Folgen gerieten sie in Konfrontation mit dem SED-Staat? Expert*innen und Zeitzeug*innen stellen den aktuellen Forschungsstand vor und vermitteln die Perspektive der Betroffenenen.
LaG-Magazin zur Veranstaltungsreihe
Mit diesem LaG-Magazin präsentieren wir Beiträge rund um die Veranstaltungsreihe „Unangepasst. Repressionserfahrungen von Frauen in der DDR“, die von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Berliner Landeszentrale für politische Bildung gefördert wurde. Durchgeführt wurde die Reihe gemeinsam mit Birgit Marzinka, Leiterin des Lernorts Keibelstraße, und in Kooperation mit der Robert Havemann Gesellschaft.
Die inhaltliche Einführung in das LaG-Magazin und damit in die Veranstaltungsreihe wurde von unserer Kollegin Ulrike Rothe verfasst. Sie hat die Veranstaltungsreihe maßgeblich konzipiert.
Jessica Bock vollzieht die Entwicklung der unabhängigen Frauenbewegung in der DDR seit den frühen 1980er Jahre nach.
Filiz Gisa Çakır schreibt über die Geschichte des Archivs GrauZone, das aus der DDR-Frauenbewegung heraus entstanden ist.
Almut Ilsen, selbst ehemalige Aktivistin, erzählt die Geschichte der Ostberliner “Frauen für den Frieden” – eine der wenigen Gruppen, die unabhängig von der Kirche war und seit 1982 bestand.
Lucas Frings hat das Podiumsgespräch „Geschlechtsspezifische Aufarbeitung der DDR“, das im Rahmen der Veranstaltungsreihe stattfand, für das LaG-Magazin zusammengefasst.
Auftaktveranstaltung
Geschlechtsspezifische Aufarbeitung der DDR – eine kritische Retrospektive
Datum: Do • 26.09.2019
Das Narrativ des politischen Widerstands gegen das SED-Regime ist ohne die Namen oppositioneller Frauen wie Bärbel Bohley oder Ulrike Poppe kaum denkbar. Trotzdem sind der Anteil und die Rolle von Frauen etwa in der Friedens- und Umweltbewegung oder die Ideen der frauenpolitischen Gruppierungen bisher nicht ausreichend thematisiert worden. Podium mit Peggy Piesche, Dr. Carola Rudnick und Almut Ilsen. Moderation: Shelly Kupferberg
Die Grußworte stammen von Roland Jahn (Bundesbeauftragter der Stasiunterlagenbehörde) und Birgit Marzinka (Leiterin des Lernorts Keibelstraße)
Die Veranstaltung zum Nachhören
Zur Dokumentation des Podiumsgesprächs
Werkstattgespräch I: Am Küchentisch – Frauen in der Opposition
Frauen waren aktiv an der Protest- und Bürgerrechtsbewegung beteiligt. Weniger bekannt ist, dass sich von Beginn an auch reine Frauengruppen an vielen größeren Orten der DDR bildeten, die eigene Bedürfnisse, Programmatiken und Aktionsformen entwickelten. Samirah Kenawi, eine der Protagonistinnen, hat die DDR-Frauenbewegung dokumentiert und vermittelt aus der Perspektive der Zeitzeugin ihre persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen dazu.
Referentin: Samirah Kenawi
Moderation: Jessica Bock
Datum: 24.10.2019
Zur Dokumentation der Veranstaltung Frauen in der Opposition
Werkstattgespräch II: „frau anders“ – Lesben-Gruppen zwischen Bürgerrechts- und Homosexuellenbewegung
Lesbengruppen bildeten sich zu Beginn der 1980er Jahre in Ost-Berlin und anderen größeren Städten der DDR. Sie fanden unter dem Dach der Kirche erstmals die Möglichkeit, sich zusammenzuschließen und ihre Diskriminierungserfahrungen als Frauen und Homosexuelle zu problematisieren. Das Werkstattgespräch thematisiert die spezifische Lebenssituation von Lesben vor 1989, ihren kritischen Blick auf die patriarchalisch geprägte DDR-Gesellschaft und beispielhaft ihre Erfahrungen von Repression und Zersetzung durch das MfS.
Referentin: Maria Bühner, Historikerin, Kulturwissenschaftlerin und Aktivistin, Leipzig
Moderation: Katja Koblitz, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Lesbenarchivs Spinnboden Berlin
Datum: 14.11.2019
Zur Dokumentation der Veranstaltung zu Lesben-Gruppen
Werkstattgespräch III: „Asoziale“ Frauen in der Gesellschaft des Kalten Krieges – Der Fall B.
Frauen, die sich nicht auf die Lebensform der sozialistische Kleinfamilie mit Kind einließen, die nicht der weiblichen Verhaltensnorm sexueller Passivität entsprachen oder keiner geregelten Arbeit nachgingen, konnten nach § 249 StGB der DDR als Personen mit „asozialem Verhalten“ eingestuft und kriminalisiert werden. Eine weitere Form der Repression war die Einweisung in Venerologische Stationen, in denen die Frauen auf geschlossenen Stationen festgehalten wurden. Martina Blankenfeld berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen.
Referentin: Martina Blankenfeld
Moderation: Birgit Marzinka
Datum: 05.12.2019